Ein von der Versicherung über Internet-Restwertbörsen eingeholtes erhöhtes Restwertangebot ist bei der Totalschadenabrechnung nicht relevant
Der Geschädigte muss sich keinen höheren Restwert anrechnen lassen, der sich nur nach Recherchen auf dem Sondermarkt der Internet-Restwertbörsen ergibt. Maßgeblich für die Restwertermittlung ist, was der Geschädigte bei Inzahlunggabe seines Unfallwagens oder bei einem Verkauf auf dem ihm zugänglichen regionalen Markt erzielen könnte (BGH Urteil vom 29.04.2010 – Az: I ZR 68/08).
Im Rahmen einer Entscheidung zur Verwendung von Fotos aus Schadengutachten in Restwertbörsen nahm der BGH zur Zulässigkeit von so genannten erhöhten Restwertgeboten bei der Totalschadenabrechnung Stellung. In der Urteilsbegründung wurden folgende Grundsätze für die Regulierungspraxis bestätigt:
Kümmert sich der Geschädigte nach einem Unfall selbst um die Behebung des Fahrzeugschadens, kann er von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, § 249 II 1 BGB. Bei einem so genannten wirtschaftlichen Totalschaden bestimmt sich dieser Wiederherstellungsaufwand nach den Wiederbeschaffungskosten. Unter den Wiederbeschaffungskosten versteht man die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des Unfallfahrzeuges. Dabei ist der Wiederbeschaffungswert der Betrag, den der Geschädigte zum Erwerb eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges im seriösen Kfz-Handel aufbringen muss. Und der Restwert bemisst sich danach, was der durchschnittliche Geschädigte auf dem allgemein zugänglichen regionalen Markt für das unfallbeschädigte Kfz noch erzielen kann.
Grundsätzlich nicht maßgeblich für den anzusetzenden Restwert sind die dem Durchschnittsgeschädigten gar nicht zugänglichen auf dem Sondermarkt der Internet-Restwertbörsen erzielbaren Preise. Der Geschädigte ist auch unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht nicht verpflichtet, selbst zeitaufwändig nach besseren Verwertungsmöglichkeiten zu suchen oder gar einen Gutachter hiermit zu beauftragen. Folglich muss er bei Beauftragung eines Gutachters jenen auch nicht anweisen, Restwertgebote über Restwertbörsen einzuholen. Der Sachverständige ist bei der Begutachtung gehalten, den Restwert allein aus der Position seines Auftraggebers zu ermitteln. Er hat deshalb auf den Preis abzustellen, den sein Auftraggeber selbst und ohne seine zusätzliche Hilfe realistisch auf dem ihm regional zugänglichen Markt erzielen kann. Dies ist sein Auftrag, der eben nicht durch das Interesse des Schädigers oder das Interesse seiner Haftpflichtversicherung an einer möglichst kostengünstigen Regulierung (mit-)bestimmt wird. Es gibt deshalb auch keine ungeschriebene Verpflichtung des Sachverständigen zum Schutz der Versicherung auch Online-Restwertbörsen in die Gutachterrecherchen mit einzubeziehen.
Der Versicherer darf dem Geschädigten auch nicht ungewollt erhöhte Restwertangebote mit der Androhung, diese der Abrechnung zugrunde zu legen, unterbreiten. Andernfalls, so der BGH, könnte der Versicherer des Schädigers bei geplanter Weiternutzung des Wagens faktisch eine Veräußerung des Wagens zur Minimierung des zu zahlenden Schadenersatzbetrages doch erzwingen oder der Geschädigte liefe Gefahr, bei einem späteren Verkauf des Wagens nach Ablauf der Gebotsfristen zum regional üblichen Preis dann doch eine Deckungslücke zu erleiden und eigene Mittel zur Schadenbehebung aufwenden zu müssen.
Dies, so der BGH, entspräche aber nicht dem gesetzlichen Leitbild des Schadenersatzrechts, wonach das Restitutionsgeschehen in den Händen des Geschädigten liegt, und nicht etwa die Schädigerversicherung darüber bestimmen darf, wie mit der beschädigten Sache zu verfahren ist.