OLG Düsseldorf, Videoabstandsmessungen mit Vibram-System sind unzulässig.
In einer Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.2.2010 – 3 RBs 8/10 wurden die mit dem Vibram-System erhobenen Daten von Video – Brückenabstandsmessungen jetzt generell als nicht verwertbar angesehen (Beweisverwertungsverbot)
Der Fall: Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, er habe auf einer BAB bei 125 km/h als Kfz-Führer den erforderlichen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Kfz deutlich unterschritten. Der Verstoß sei durch Videoabstandsmessung mit dem System ViBrAm dokumentiert. Dabei seien lediglich mit der Übersichtskamera, die keine Individualisierung aller heimlich gefilmten Kfz-Führer ermögliche, fortlaufende Aufzeichnungen durchgeführt worden. Die sog. Handkamera, die eine Identifizierung des Betroffenen ermöglicht habe, sei nur anlassbezogen von den Beamten hinzugeschaltet worden. Da Amtsgericht verurteilte den Betroffenen unter Verwendung der Videoaufzeichnungen zu einem Bußgeld mit Fahrverbot. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führte zum Freispruch.
Die Entscheidung: Die zu Beweiszwecken aufgenommenen Videoaufzeichnungen stellen einen Grundrechtseingriff in die informationelle Selbstbestimmung nach Art 2 I. GG i.V.m. Art. 1 I GG dar, BVerfG v. 11.08.2009 – BvR 941/08 dar. Für solche Eingriffe bedarf es einer gesetzlichen Erlaubnis, die hier fehlt.
Der Eingriffsqualität entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erfasst werden. Es liegt auch kein Fall vor, bei dem Daten ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, dann aber ohne Erkenntnisgewinn automatisch und spurenlos wieder gelöscht werden. Im Gegenteil die Daten wurden gezielt zu Beweiszwecken für spätere Sanktionen erhoben.
Die von anderen Gerichten als Erlaubnisgrundlage diskutierten Vorschriften der §§ 81b, 100h I, II Nr. 1; 163b I 1; II StPO i.V.m. § 46 II OWiG scheiden aus Sicht des Senats aus.
Die Anwendung von § 81b StPO setzt begrifflich voraus, dass vor Anwendung der Maßnahme der Betroffene als Beschuldigter bereits feststeht. Das ist bei Videomessungen aber gerade nicht der Fall.
§ 163 b I StPO rechtfertigt nur Bildaufnahmen zur Identitätsfeststellung nach bereits zuvor von einer Überwachungsanlage festgestellten schwerwiegenden Ordnungswidrigkeitsverstößen. Hier soll aber erst nach Auswertung der Aufzeichnung im Nachgang festgestellt werden, ob tatsächlich ein Verstoß vorlag. Auch für die Zulässigkeit von Maßnahmen nach § 163b II StPO ist erforderlich, dass bereits zuvor der Verdacht einer bestimmten bereits begangenen Ordnungswidrigkeit besteht.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 100h I Nr. 1 StPO bestehen grundsätzliche Bedenken. Die mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21.12.2007 (BGBl I 2007, 3198) eingeführten Paragraphen, u.a. § 100h StPO, sollten der Bekämpfung von schwer ermittelbarer Kriminalität dienen. Nach dem Regelungsgehalt der Vorschrift wird die Anfertigung von bildlichen oder videografischen Aufnahmen zu Observationszwecken in laufenden Ermittlungsverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung erfasst, nicht hingegen deren Anfertigung zur späteren Auswertung und Beweissicherung wegen etwaiger Ordnungswidrigkeiten nach der StVO. Um die Vorschrift anwenden zu können, muss es ferner bereits einen Anfangsverdacht geben, bevor mit dem Videoeinsatz begonnen wird.
Ein Anfangsverdacht ist nur gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer konkret vorwerfbaren Ordnungswidrigkeit bestehen. Das heißt, der Beamte muss vor dem Start der Aufzeichnung hinreichende Anhaltspunkte für eine begangene Tat haben. Nach Ansicht des Senats sind die von den Beamten behaupteten Schätzungen vor Zuschaltung der sogenannten Identifikationskamera dazu nicht ausreichend objektivierbar. Darauf kommt es aber gar nicht an, weil jedenfalls die Aufzeichnung des gesamten anfließenden Verkehrs mit der unstreitig durchlaufenden sog. Übersichtskamera / Primärkamera mangels Ermächtigungsgrundlage unzulässig ist und die Videoaufzeichnung wegen verbotenem Grundrechtseingriff daher einem Beweiserhebungsverbot unterliegt.
Ein Grundrechtseingriff liegt bereits dann vor, wenn ein privater Lebensvorgang erfasst wird, auch wenn er erst durch spätere zusätzliche Maßnahmen zur Individualisierung führt. Genau das ist aber auch bei der durchlaufenden Übersichtskamera der Fall. Die technik bedingt zu einem Zeitpunkt beginnenden Videoaufnahmen, zu dem die Beamten mit bloßen Augen noch gar keine Anhaltspunkte für eine Abstandsverletzung haben können, sind mit ihren darauf erfassten individualisierenden Merkmalen zwingend zur späteren Beweisführung erforderlich. Die damit aber bereits vor dem behaupteten konkreten Anfangsverdacht der Beamten gestartete Aufzeichnung kann deshalb nicht auf § 100b StPO als Erlaubnisnorm gestützt werden.
Nach Ansicht des Senats besteht für Beweismittel die unter Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung ohne gesetzliche Grundlage erhoben werden ein Beweisverwertungsverbot.
Anmerkung: Richtig, dem ist nichts hinzuzufügen. Das Gleiche gilt aber m.E. auch für andere Abstandsmessverfahren z.B. das in Sachsen eingesetzte System VKS 3.0.
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